HINTERGRUNDINFORMATIONEN
ÜBER DAS WERK
Wer sich heute die 60er Jahre in Erinnerung ruft, denkt, fühlt und sieht oftmals durch die Linse des Fotografen Will McBride: Teils auch ohne es zu wissen. Das Werk des international anerkannten Künstlers ist so eng mit der deutschen Nachkriegsgeschichte, mit Politik, Kunst und Kultur verknüpft, dass sich seine berührenden Arbeiten längst in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben. McBride schildert wie kein anderer Ereignisse und Emotionen zwischen Wiederaufbau und 68er Revolte.
Auf seinen Streifzügen durch Berlin, durch den Alltag einer Stadt, die sich selbst neu erfand, vermochte McBride die großen und kleinen Schlüsselerlebnisse der deutsch-deutschen Geschichte einzufangen. Voller Leidenschaft und Abenteuerlust zeigen die Fotografien ein Deutschland, das so ganz und gar nicht dem heutigen Klischee entsprechen zu scheint. Charismatisch und mit expressiver Kraft vermittelt der Künstler in seinen Aufnahmen den Zeitgeist und die Entdeckung einer neu gewonnenen Freiheit. Mc Bride erlaubt uns einen spektakulären Einblick, portraitiert mit großem Feingefühl und ist vor allem eines: Niemals auf Abstand. Gerade weil der Fotograf selbst stets mitfühlte, miterlebte und mitmachte, ziehen uns seine Werke so unmittelbar in ihren Bann.
ÜBER DEN KÜNSTLER
Nach seinem Studium der Malerei und Kunstgeschichte in New York wurde Will McBride 1953 als Offizier der Army nach Deutschland versetzt. In Berlin fand er, was Amerika nur versprach: Aufbruchsstimmung, große Emotion. Freiheit und Ausgelassenheit. Darum blieb er nach seinem Militärdienst in Westberlin. Willy Fleckhaus, der wohl erste Artdirector Deutschlands, machte ihn 1960 zum führenden Fotografen der vielfach preisgekrönten Jugendzeitschrift „Twen“. Die Arbeit für das Magazin sollte McBride berühmt machen.
Denn im gleichen Jahr veröffentlichte „Twen“ eine Arbeit von McBride, auf der er seine schwangere Frau im Profil und mit aufgeknöpfter Hose ablichtete: Ein Skandal, der noch heute nachwirkt. Ob Karl Lagerfeld, der 2010 Claudia Schiffer in anderen Umständen für die Vogue inszenierte, oder Annie Leibovitz, die 1991 die schwangere Demi Moore fotografierte: sie alle referieren damit auf McBrides ikonische Arbeit. Das Portrait seiner Frau bedeutete für McBride den Anfang seiner Karriere. Zu einer Legende der Fotografie-Geschichte wurde er schließlich durch die emotionalen, dichten Portraits von Romy Schneider und durch seine Momentaufnahmen von John F. Kennedy, Willy Brandt und Konrad Adenauer. Für sein Lebenswerk erhielt der international anerkannte Fotograf 2004 den Dr. Erich Salomon Preis. Damit steht McBride in einer Reihe mit Künstlern wie Robert Lebeck, Sebastiao Salgado oder auch Barbara Klemm.
ARBEITSWEISE
Seine Bildwelten gestaltete Will McBride mit eigenen Erfahrungen. Die Jahre bei „Twen“ zeigen so neben der beruflichen Laufbahn auch sein Privatleben. Immer wieder legt er das Familienleben mit Fotografien von Frau und Söhnen offen.
Um spannende, neue Sujets voller Authentizität zu finden, verbrachte McBride Tage mit Fremden, unternahm Reisen ins Unbekannte und brach vor allem Tabus – wie mit seinen Fotografien der Kommune 1. McBride wurde zum Dokumentaristen der sexuellen Revolution und sprengte Grenzen: Ob die der Reportagefotografie, der sexuellen Freizügigkeit oder zwischen Berufs- und Privatleben: "Was ich nicht fühle, fotografiere ich nicht, ebenso wenig das, was ich nicht selbst erfahren habe“, so McBride selbst.
Hannah Hör